31.08.-08.09.2024

30.08.2024 Preview Day

LEIDENSCHAFT, DIE VERBINDET.

31.08. – 08.09.2024

30.08.2024 Preview Day

Vom Jumper zum Boxer

Wilhelm zeigt uns seinen faszinierenden Weg vom Jumper-Reisemobil zum Boxer-Wohnmobil: Alles Do-It-Yourself und in Eigenregie!

Text und Bilder: Wilhelm Klinke

2016, im Jahr 1 des Rentnerlebens, entsteht mit dem Selbstausbau eines Jumper L3H3-Kastenwagen ein Reisemobil, mit dem wir in den Folgejahren Europa von Norwegen bis Albanien und von Estland bis Andalusien erkunden.

Der Jumper ist für unsere Art des Reisens das ideale Fahrzeug. Nur in der dunklen Jahreszeit und bei längeren Aufenthalten im nicht sehr großen Innenraum kommt schon mal der Wunsch nach einem etwas größeren Fahrzeug auf.

Im ersten Pandemie-Sommer beschränken wir uns auf deutsche Länder: Sauerland, Emsland, Ostfriesland und weitere, auch einmal Zeeland in den Niederlanden ist dabei. Obwohl die nähere Heimat durchaus reizvoll ist, erinnern wir uns an Ideen für ein größeres Fahrzeug. Das Ende der pandemiebedingten Beschränkungen ist nicht abzusehen – es entsteht der Wunsch nach einem ausfüllenden Projekt, wie seinerzeit der Jumper-Ausbau.

Bei der Ausbauplanung des Jumpers musste man feststellen, dass die Vorgaben der Karosserie viele Gestaltungswünsche einschränkten. Man wünschte sich seinerzeit die planerischen Freiheiten, die beim Ausbau einer selbstdefinierten Leerkabine gegeben sind.

Ausgestattet mit frischen Erkenntnissen vom Besuch des Caravan-Salons 2020 kann die Planung beginnen. Der erste Planungs-Eckpunkt ist bald gefunden, ein Kofferaufbau, auf einem Fahrgestell der 3,5-to-Klasse mit einer Gesamtlänge von 7 m, also 1 m länger als der Jumper, jedoch breiter und im Wohnbereich durch das einbezogene Führerhaus auch deutlich größer.

Wir stellen einem Kabinenbauer ein Fahrgestell auf den Hof, beginnen parallel mit der Möbelfertigung und nach einem Jahr ist unser teilintegriertes WoMo fertig. So denken wir und schicken im Spätsommer eine detaillierte Projektbeschreibung an etablierte GFK-Kabinenhersteller.

Wir erhalten zunächst keine Antworten. Erst nach Rückfragen teilte man uns vorab Lieferzeiten von 1-2 Jahren mit, mit der Frage, ob dann überhaupt ein Angebot zu erstellen sei. Nach kurzer Überlegung steht fest: dann bauen wir die Kabine halt selbst. Abwegig ist das nicht, war doch in den ersten Berufsjahren als Konstrukteur im Kleinflugzeugbau glasfaserverstärkter Kunststoff der dominierende Werkstoff. Und diesen Werkstoff kann man gut in einer Werkstattgarage verarbeiten.

Die Planung wird verfeinert und Angebote für Fahrgestelle eingeholt, denn diesmal wollten wir mit einem Neufahrzeug starten. Hier eine weitere Ernüchterung. Einigen Händlern ist die Anfrage nach einem Fahrgestell von einem Privatmann suspekt, es gibt kein Angebot. Kooperativer sind Anbieter der Sevel-Fahrzeuge, hier wählen wir ein Peugeot-Boxer-Fahrgestell mit Normal-Rahmen, lieferwagentypischer Spurweite und langem Radstand.

Bei einem WoMo-üblichen Flachrahmen, zu dem die mittragenden Eigenschaften der Kabine nachzuweisen sind, ist ein technischer Support des Herstellers erforderlich, der aber nur Fahrzeugbau-Firmen zugute kommt. Vorteilhaft ist die Pritschenwagen-Rahmenhöhe – hiermit kann man einen stufenlosen Fußboden bis in das Führerhaus hinein planen.

Überhaupt ist der Boxer wie seine baugleichen Brüder ein gut geeignetes Fahrzeug, rel. leicht, wodurch statt des nicht lieferbaren Automatikgetriebes eine Luftfederung möglich wird, mit angenehm breiter, für Drehsitze gut geeigneter Kabine, und mit dem gewählten 140 PS-Triebwerk sicher ausreichend motorisiert. Mit der angepeilten Gesamtlänge von 7 m ergibt sich eine 4,6 m lange Kabine, haben doch diese Fahrzeuge die kürzesten Führerhäuser in dieser Fahrzeugklasse.

Jumper und Co –Kastenwagen sind als Van überwiegend in der H2-Bauhöhe anzutreffen, die bei über 185 cm Körpergröße schon etwas knapp wird. Deshalb haben wir uns seinerzeit für den H3 entschieden, mit einer großzügigen Stehhöhe von 2,12 m nach dem Ausbau.

Im L3-Jumper mit 6 m Außenlänge ergeben sich akzeptable räumliche Verhältnisse erst bei der Verwendung eines quer eingebauten Bettes, die Bettlänge ist jedoch mit 1,9 m für größere Personen nicht üppig.

Eine selbst definierte Kabine kann breiter sein, möglich ist ein Außenmaß bis 2,35 m, der max. zulässigen Breite eines Aufbaus bei Verwendung überlanger Spiegelarme. Für die mittellangen Arme gilt eine Aufbaubreite bis 2,2 m – hiernach möchten wir unsere Kabinenbreite ausrichten.

Wir wollen die 3,5 to-Grenze einhalten, gönnen uns aber, um Unsicherheiten bei der möglichen Schwerpunktlage zu vermeiden, die Heavy-Ausführung mit den erhöhten zulässigen Achslasten. Somit ist das Fahrgestell schwerer als bei einem wohnmobil-typischen Standard-Flachrahmen. Wir erkennen: Kabine und Ausbau dürfen nicht zu schwer werden.

Die Grundriss-Gestaltung orientiert sich zunächst an übliche Gepflogenheiten, Tür und Küche rechts vorne, gegenüber die Halbdinette. Wir benötigen für unser 2-Personen-Fahrzeug keine weiteren Anschnallgurte, dadurch wird die Sitzbank 50 kg leichter und deutlich bequemer. Dahinter folgt ein Kühlschrankblock mit darüber liegendem Kleiderschrank. Ein anschließender Sanitärraumblock hätte den offenen Eindruck geschmälert, nach Küche und Kühlschrank folgen über den Radschächten die Längsbetten und quer im Heck ist über die volle Innenbreite von 2,12 m das Bad angeordnet, das Casetten-WC links und rechts die Dusche, dazwischen ein Block mit Spiegelschrank, Ablage, Waschbecken und Unterschrank.

Diese Anordnung ist das Resultat verschiedener durchdachter Grundrisse unter Berücksichtigung der vom Fahrgestell-Hersteller vorgeschriebenen Schwerpunktlage. Die sonst übliche Heckgarage entfällt, der Bauraum ist uns zu wertvoll, um darin Fahrräder oder Regale unterzubringen, außerdem soll der Fußboden durchgehend stufenfrei sein.

Stauräume sind unter den Betten, rechts von außen zugängig für Tisch, Stühle, Markisenkurbel und Wanderstöcke, links mit Innentür für schwereres Packgut. Leichtes Gepäck verteilt sich auf 8 Hängeschränke und den Alkoven-Stauraum.

Die Lieferzeit des Fahrgestells im Winter 2020/21 ist noch angenehm kurz, im April erhalten wir unser Basisfahrzeug. Inzwischen ist ein dreiteiliger Boden in Holz-Sandwich-Bauweise vorgefertigt – bei der Konstruktion liegt das Augenmerk auf Handling und Gewicht, für eine 2-Personen-Montage ohne Hebezeuge unabdingbar. Deshalb sind auch die Längswände und das Dach dreiteilig, die Teilstücke sind bei einem Gewicht des 30 mm dicken GFK-PUR-Sandwich von 7 kg/m² gut zu handhaben.

Im einfachsten Fall ist die Kabine ein Rechteck-Kasten, wie bei Paketdienst-Transportern üblich. Man möchte sich hiervon unterscheiden und auch den Luftwiderstand etwas reduzieren. Somit ist eine Formgebung der Stirnfläche über der Führerkabine erforderlich, im einfachsten Fall eine Abschrägung oder einen Spoiler.

Die Abschrägung soll den Expeditionsmobilen und der Spoiler den Transportern überlassen werden, ein (Gepäck-) Alkoven ist sicher die erste Wahl, hier jedoch aus aerodynamischen Gründen ohne den klassenüblichen Überhang über die Frontverglasung. Eine besonders schicke Formgebung würde eine Fertigung in einer Negativform voraussetzen, hier erfolgt eine Beschränkung auf vier gekrümmte Wandungen.

Die Fertigung ist eine aufwändige Arbeit, die uns jedoch zu einem nicht unerheblichen Stauraum verhilft. Hiermit beginnt im Sommer 2021 vor der Werkstatt-Garage der Zusammenbau.

Die Sandwichelemente werden zugeschnitten, teilweise mit Randausbildungen versehen und nacheinander mit PUR-Kleber zur Kabine zusammengesetzt.

Die runden Kantenprofile sind in der gewünschten Abmessung nicht im Handel verfügbar. Nun ist die Fertigung von GFK-Teilen in einer Negativform eine überschaubare handwerkliche Tätigkeit. Man benötigt zunächst ein Modell, von dem eine Negativform abgeformt wird, in der man dann die benötigten Bauteile herstellt. Zunächst wird ein Gelcoat, ein eingefärbtes Epoxidharz, aufgetragen. Nach dem Angelieren werden hierauf die erforderlichen Glasgewebelagen laminiert. Die Aushärtung erfolgt bei Raumtemperatur, nach 1-2 Tagen kann das Bauteil entformt und bearbeitet werden.

           

Nach Kleben der selbstlaminierten GFK-Rundkantenprofile, der Plattenverbindungs-Streifen über den Plattenstößen und diversen Laminier- und Spachtelarbeiten ist die Kabine lackierbereit.

Zum Herbstbeginn gilt es, die lackierte Kabine mit Fenstern, Eingangstür und Klappen auszurüsten, sie ist dann winterfest und fertig für den Innenausbau. Nach den inneren Plattenverbindungen können im Wohnbereich dekorative Kunstleder-Wandverkleidungen geklebt und vorgefertigte Innenwände eingebaut werden.

Auch ohne großes Dachfenster im Nasenbereich ist die Ausleuchtung durch 2 Heki 40×40 cm ausreichend und die eintretende solare Wärme hält sich in Grenzen. In Zeiten mit zunehmenden Sommertemperaturen nahe an 40°C ist ein Feature besonders hilfreich: Im Jumper-Ausbau verblieb die Trennwand zum Führerhaus und hielt übermäßige Wärme und Kälte vom Ausbauraum fern, diese Funktion übernimmt jetzt eine Mini-Rollade, mit elektrischen Antrieb, von beiden Seiten bedienbar.

Nach dem Einbau aller mit Kabelschächten versehener Wände kann im Winter 2021/22 die bodennahe Elektrik und alle weiteren Systeme eingebaut werden: Küche mit Gasflaschenbox und dreiflammigen Kocher, Truma Combi 4 hinter dem rechten Radschacht, gegenüber der Frischwassertank mit 75 Ltr. Volumen. Der Abwassertank hängt mittig hinter dem Ersatzrad unter dem Fußboden. Die Ausbau-Elektrik ist im Bereich vor den Radschächten links und rechts angeordnet, die an das Fahrzeug angeschlossene Elektrik findet einen Platz im Fußboden nahe der Einspeisung am Fuß der rechten B-Säule.

Bei diesen Arbeiten ist die Verkabelung die zeitintensivste Tätigkeit. Von der Starterbatterie werden die Positionsbeleuchtung, zwei Innenleuchten im Eingangsbereich, der elektrisch betätigte Tritt und der Kühlschrank im 12V-Fahrbetrieb versorgt. Die dritte Bremsleuchte und die Heckkamera beziehen ihren Strom von der Fahrgestell-Heckbeleuchtung. Für die Versorgung des Fahrradträgers wird eine Durchgangssteckdose installiert.

Der Träger und alle anderen Verbraucher sind an die Ausbau-Lithium-Batterie angeschlossen. Diese Batterie wird von einem 175 Wp-Solarpanel und bei Bedarf von dem im Inverter integrierten Ladegerät mit Landstrom geladen.

Im Innenausbau kontrastieren rotbraune Kirschbaum-Furniere mit weißen Kunstleder-Flächen, im Küchenbereich sind strapazierbare weiße HPL-Oberflächen anzutreffen. Bei der Beleuchtung gehen wir mit der Zeit, LED-Einbauspots und indirekte Deckenbeleuchtung werden über dimmbare Memory-Sensoren geschaltet.

Der Zeitbedarf des weiteren Möbelbaus ist beträchtlich, erst im Juni kann nach der Beleuchtungs-Montage die Zulassung vorbereitet werden.

Aus der Sicht eines TÜV-Prüfers ist die Begutachtung schon eine Herausforderung, schließlich steht hinter dem Projekt keine Fachfirma, sondern ein Rentner, der lediglich sein technisches Wissen aus den beruflichen Tätigkeiten seines Erwerbslebens einbringt. Klare, nachvollziehbare Berichte und Berechnungen sind erforderlich, von einer detaillierten Projektbeschreibung, einer Schwerpunktberechnung mit Bestimmung der nicht durch einen aufwändigen Versuch ermittelten Schwerpunkthochlage bis zu einer vertrauensbildenden Festigkeitsabschätzung der Kabine.

Direkt vor der Begutachtung wird das Fahrzeug gewogen und aus dem Ergebnis die Schwerpunktlage ermittelt. Für die Schwerpunkthochlage, der Grenzwert entspricht der halben Spurweite, wird als Nachweis die Berechnung akzeptiert. Die seitliche Schwerpunktabweichung liegt für alle gerechneten Belade-Zustände unter 50 kg Differenz links zu rechts, zulässig sind 100 kg.

Zur Zulassung im Straßenverkehrsamt ist neben den üblichen Unterlagen eine Ausnahme-Genehmigung des Kraftfahrt-Bundesamtes vorzulegen, in der für unvollständige Neufahrzeuge aus einer zum Zulassungszeitpunkt bereits ausgelaufenen Serie eine zeitliche Befristung zur Zulassung vermerkt ist. In unserem Fall wäre die Zulassung des im März 2021 ausgelieferten Fahrzeugs bis zum 28.02.2023 möglich.

Nach der Zulassung Mitte Juli 2022 und zunächst einer Testphase haben wir zwischen Nordsee und Alpensüdseite problemfrei über 6 tkm zurückgelegt. Bei den ersten Fahrten entsteht eine ToDo-Liste mit Kleinigkeiten wie weiteren Ablagen und Halterungen – sie ist inzwischen abgearbeitet.

Jetzt, im Frühjahr 2023, planen wir eine größere Tour – rund um die Iberische Halbinsel.

Wilhelm mit seiner Frau

Als Hobbyfilmer hat Wilhelm die wesentlichen Fertigungsschritte zusätzlich mit der Video-Kamera dokumentiert und drei YouTube-Videos erstellt. Mehr Infos und weitere Videos finden Sie auf Wilhelms Homepage. Viel Spaß beim Schauen!

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